Die wilde Möhre, auf lateinisch auch daucas carota genannt, wächst laut der App Flora Incognita in ganz Deutschland und das sehr häufig und ungefährdet. Sie ist ein Teil unserer heutigen Möhre.
Aha, das soll sie also sein, meine Begleitpflanze für mehr als die Hälfte des Jahres 2020. Die wilde Möhre wird als meine Begleitpflanze der Heilkräuterausbildung Inhalt meiner praktischen Abschlussarbeit bzw. Präsentation am Ende dieser Ausbildung sein.
Wir haben Anfang Mai 2020 und ich bin mir sicher, die wilde Möhre werde ich in Dithmarschen nicht finden. Sollte es wirklich möglich sein, dass ich diese Pflanze bei unzähligen Spaziergängen in Wald und Wiese nicht wahrgenommen habe? Eine leise Ahnung und Befürchtung schleicht sich langsam in meine Gedanken, die wilde Möhre wächst wahrscheinlich direkt vor meiner Haustür. Ist es möglich, dass sie im Mai noch gar nicht blüht und ich suche zu früh? Tatsächlich, die Blütezeit ist von Juni bis September. Also! Geduld.
In den nächsten Wochen werde ich mich auf die Frage, ob jemand weiß, wo die wilde Möhre wächst, mit Antworten wie „Die wilde Möhre, die? Die gibt es hier.“ oder „Das ist doch das „Weiße“, was da am Straßenrand wächst.“ konfrontiert. Kann es wirklich sein, dass diese sehr häufig wachsende Pfanze so übersehen wird?
Sie blüht weiß und ich stelle bei genauerem Hinsehen fest, es gibt eine ganze Anzahl von weißblühenden Pflanzen am Wegesrand. Der Giersch, der Wiesenkerbel, den Wiesenkümmel, die Hundspetersilie oder die Schafgarbe, der Wiesenbärenklau und den gefleckten Schierling. Oh je, die wilde Möhre scheint leicht zu verwechseln zu sein und das auch noch mit giftigen Pflanzen. Also aufgepasst beim Bestimmen der Pflanze und anschießendem Sammeln.
Eines steht nach diesen ähnlichen Pflanzen nun aber fest, die wilde Möhre ist ein apiaceae, ein Doldenblütler mit vielen kleinen weißen Blüten. Die Blütendolde ist flach und hat viele kleine weiße Einzelblüten.
Bleibt die Frage, wo wächst sie nun die wilde Möhre und die Idee für meine Abschlussarbeit ist geboren, mein Hund und ich, wir gehen die nächsten Monate auf Kräuter-Entdeckungstour.
Unzählige Schritte später ist sie plötzlich einfach da, auf dem Plattenweg in der Nähe von Helmsand, am Sanddorn, der wilden Karde und der Pastinake vorbei direkt darauf zu, meine erste! wilde Möhre am Wegesrand eines unserer Lieblingsrunden. Sie ist etwa ein Meter hoch und sie muss etwa eineinhalb Jahre alt sein. Wie ich darauf komme? Sie blüht erst im zweiten Lebensjahr und die Lebensdauer beträgt nur zwei Jahre. Um uns herum in direkter Nachbarschaft blühen ebenfalls die Schafgarbe, der Rot-Klee, der Beifuß und nach meinen Beobachtungen auch mit etwas Abstand die Pastinake. Traurigkeit und Unsicherheit beschleichen mich beim Anblick der weißen Doldenblüte. Sie hat keine dunkle Einzelblüte in der Mitte. Ist diese Möhre etwa eine nicht ganz perfekte wilde Möhre? Nein, mehr als die Hälfte der wilden Möhren haben keine dunkle Einzelblüte. Meines Wissens gibt es noch keine wirkliche Erklärung für die dunkle Einzelblüte in der Mitte der Dolde. Vielleicht ist sie eine Anlockattrappe für andere Insekten. Hey, da ist schon jemand, dort muss es gut sein.
Neben der dunklen Einzelblüte gibt es eine weitere Besonderheit zur Fruchtzeit der Pflanze. Die Strahlen des Blütenstandes ziehen sich bei schlechtem Wetter zusammen und die Dolde vertieft sich in der Mitte. Wie ein Vogelnest sieht das aus und ist schon von weitem zu erkennen. Die Natur ist fabelhaft. Das Nest ist ganz weich und trotzdem stabil. Toll!
Fühlt man entlang des Pflanzenstengels sind die Furchen zu ertasten und mit einer kleinen Lupe lassen sich die kleinen weißen Härchen auf ihm erkennen. Es macht Spaß, die Pflanzen mit allen Sinnen zu entdecken. Wenn ich die Blüte leicht zwischen meinen Fingern reibe, ist ein leicht süßlicher möhrenartiger Duft zu erschnuppern.
Der Knoten ist geplatzt.
Jetzt sehe ich sie fast jeden Tag … auf Wiesen, an Wegen, Dämmen, an Böschungen und Waldsäumen. Auf dem Deich am Hafen von Friedrichskoog, auf den Feldern am Steinzeitpark in Albersdorf, im Kailand in Bokel, an den Autobahnauffahrten zur A23 in Itzehoe oder zur A7 in Neumünster. Durch das kleine Vogelnest ist die wilde Möhre auch aus dem Auto heraus eindeutig und freudig zu erkennen. Aufpassen! Nach vorne schauen.
Meine Befürchtung bewahrheitet sich dann tatsächlich am Ende des Sommers. Die wilde Möhre wächst in voller Schönheit am Deich in der Meldorfer Bucht nicht mehr als etwa 200 m von meiner Haustür entfernt.